Musikspur


Geigenmacher-Kurve (an der B283)

  • Karte aus Heimatatlas des Oberen Vogtlandes (1920er Jahre) – die begradigten Straßenabschnitte sind markiert

Die Weltwirtschaftkrise 1929 bis 1932 führte zu einem gewaltigen Einbruch im deutschen Musikinstrumenten-Export und zu einer bis dahin nie gekannten Arbeitslosigkeit im Oberen Vogtland. 1931 zählte die Nebenstelle des Arbeitsamtes in Markneukirchen 1.832 Arbeitssuchende. Für die Hersteller von Streichinstrumenten hatte dies bis Mitte der 1930er Jahre zur Folge, dass sie berufsfremden Notstandsarbeiten wie beispielsweise dem Straßenbau nachgehen mussten. So kam die „Geigenmacher-Kurve“ zu Ihren Namen.

Eine Erhöhung der Binnennachfrage im Dritten Reich kam vor allem den Blasinstrumentenbauern zugute. Dagegen konnten sich die Hersteller von Streichinstrumenten und deren Bestandteilen nur schwer von der Krise erholen. Deshalb mussten sie noch Mitte der 1930er Jahre berufsfremde Notstandsarbeiten beim Straßen-, Autobahn-, Brücken- und Talsperrenbau verrichten. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der Bau der „Geigenmacherkurve“ zwischen Markneukirchen und Klingenthal (1934-1935).

Dabei handelt es sich weniger um eine Kurve, sondern um mehrere Begradigungen bzw. „Entschärfungen“ dieser einst viel kurvenreicheren Strecke. Der alte Verlauf der Straße ist heute noch an mehreren Stellen zu sehen. Für ein kleines Felsmassiv am zweiten Abschnitt in Richtung Zwota ist die Bezeichnung „Teufelsstein“ überliefert.


Mosenstraße

  • Mosenstraße oben links im Bau, 1908

  • Die Handwerksmeister Kurt Knoth (Blechblas, Haus Nr. 13), Ernst Krauß jun. (Holzblas, Haus Nr. 13), Hermann Schaller sen. (Streich, Haus Nr. 13) und Ernst Wilhelm Kunze (Zupf, Haus Nr. 11) (v.l.) vor Knoths Werkstatt ca. 1940.

Die Mosenstraße wurde im Zuge der Erweiterung der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhundert angelegt. Zunächst reichte sie von der Breitenfelder Straße, heute Rudolf-Schuster- Straße, bis zur Schönecker Straße, die zu diesem Zeitpunkt noch durchgängig war. Begonnen wurde mit dem Hausbau an der Westseite und entsprechend nummeriert, was die Nummerierung entgegen der üblichen Weise (stadtauswärts) erklärt. Das Eckhaus der nördlichen Reihe hat den Eingang zur Rudolf-Schuster-Straße und gehört somit nicht zur Mosenstraße, genau wie der Namensgeber der Straße, das „Mosenhaus“, das zur Schönecker Straße gehört. Werkstattanbauten, die alle in den 30er Jahren erfolgten, haben lediglich die Häuser Nr. 8, 10 und 13. Für gewöhnlich waren die Werkstätten auf dieser Straße in den Wohnhäusern, häufig im Erdgeschoss oder Kellerbereich untergebracht.

Eine Tafel an der Mosenstraße listet die Hausbesitzer sowie ausgewählte Mieter auf, die zum Teil als selbständige Handwerker sowie als angestellte Heimarbeiter im Bereich des Musikinstrumentenbaus arbeiteten.


Reichel-Gässel (heute Marktgässchen)

  • Das Reichelgässel und der Obere Markt auf einer Stadtansicht von Wilhelm Petzold aus dem Jahre 1884. Man sieht deutlich die Straßeneinmündung rechts hinter dem ursprünglichen Rathaus, dem sog. Alten Amtsgericht.

    (Anhang der Hellriegel-Chronik von 1913)

  • Eines der ersten Markneukirchener Celli,

    gebaut nach 1780 im Reichelgässel

    von Johann Adam Reichel (1715-1794)

    Staatliches Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz.

    Musikinstrumenten-Museum Berlin, Inventarnr. 4168

    (Foto vom SIM SPK MIM Berlin)

Reichelgässel ist die frühere Bezeichnung für das heutige Marktgässchen, das 1896 bis 1903 offiziell „Reichelgäßchen" hieß.

Christian Reichel (geb. 1631 in Graslitz, gestorben 1697 in Markneukirchen), Initiator und erster Obermeister der 1677 gegründeten Geigenmacher-Innung, ist hier 1681 als Hausbesitzer nachgewiesen. Bis 1891 wohnten in den Eckhäusern zum Marktplatz weitere fünf Generationen seiner Familie.

Der volkstümliche Name des Gässels erinnert an den Vater der Markneukirchner Geigenmacher-Innung und an die mit mehr als 60 Meistern umfangreichste und älteste Geigenbauer-Dynastie des sächsischen Vogtlands.

Weitere Informationen finden Sie hier: Weller, Enrico: Das Reichel-Gässel – Der einstige Name des heutigen Marktgässchens, in: Neikirnger Heimatbote 20. 1 (Juni 2013), S. 29-36.


Villa Merz (Adorfer Straße 38)

  • Ansichtskarte der Villa Merz (1909, handkoloriert, Sammlung Dr. Enrico Weller), Bahnhofstr. 265

  • Villa Merz heute

Erbaut 1902-1903 nach Plänen der Dresdener Architekten Felix Reinhold Voretzsch und Heino Otto. Bauherr und erster Bewohner war der Kaufmann Curt Merz (1875-1954), Mitinhaber der 1827 gegründeten Musikinstrumenten-Handelsfirma F. T. Merz. 

  • Der starke Rückgang der Exportgeschäfte führt schon vor der Weltwirtschaftskrise dazu, dass das Anwesen mit zwei Hypotheken belastet wird, 1934 folgt die Anordnung der Zwangsversteigerung. Dr. med. Gerhard Schmidt (gest. 1959) kauft die Villa 1935, Einbau der Praxis in das Kellergeschoss (1940).
  • 1960 Verkauf an die Stadt Markneukirchen, die das Gebäude 1954 bis 1984 als Kindergarten nutzt.
  • Bis 1988 erste Restaurierung, Umbau zur „Fachschule für kunst­handwerklichen Musikinstrumentenbau“, Außenstelle der Fachschule für ange­wandte Kunst Schneeberg.
  • Seit 1992 Studiengang Musikinstrumentenbau des Fachbereichs Angewandte Kunst der Westsächsischen Hochschule Zwickau mit den Studienrichtungen Streich- und Zupfinstrumentenbau.

Weitere Informationen in einem Artikel von Dr. Enrico Weller: Heimatbote 2/2013, S. 44-55 (PDF)


Villa Stark (Adorfer Straße 20)

  • Historische Ansichtskarte (nach 1907, Sammlung Dr. Enrico Weller)

  • Salon/Empire-Zimmer des zweiten Bewohners Willy Stark (nach 1907, Sammlung Dr. Enrico Weller)

1889-1891 nach Plänen der Leipziger Architekten Pfeifer & Händel für den Instrumentenhändler Paul Stark (1853-1918) erbaut, der sich damit finanziell übernahm. Nach drohender Zwangsversteigerung 1904 von seinem Neffen Willy Stark (1872-1946), Inhaber der Musikinstrumenten-Exportfirma Theodor Stark, erworben.

  • bis 1907 Fertigstellung, Innenausbau und Möblierung der Villa einschließlich Gestaltung des vergrößerten Gartens, 1909 Tennisanlage, 1911 Autogarage
  • Der Niedergang der Firma nach dem Zweiten Weltkrieg zwingt die Familie 1957 zum Verkauf an den Rat des Kreises Klingenthal, Abteilung Volksbildung, Beginn der Nutzung als Wohnheim zunächst vorrangig für lernbehinderte und geistig behinderte Kinder, bis 1961 auch Arztpraxis Dr. Riebe.
  • 1995 Übernahme der Trägerschaft der vollstationären Jugendeinrichtung durch die Lebenshilfe Auerbach e. V. Die Kinder- und Jugendwohnstätte „Burg Sonnenschein“ bietet mit 24 Plätzen Hilfe für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen.